Bericht: Fliegender Stern , die Sommertour 2016

Törns und Typen zwischen Hamburg und Esbjerg

Reisebericht nach dem Logbuch des FLIEGENDEN STERN 2016

Sonnige Box auf Amrum

Niedrigwasser im Seglerhafen Hallig Hooge

Wasser und Gastsegler im Seglerhafen Hallig Hooge

Seesporthafen Esbjerg, Offshore-Geräte dahinter

Viel Schlick und freie Plätze auf Hooge

Sonniger Abend im Siel- und Fährhafen Strucklahnungshörn

Strucklahnungshörn und Blick in das weite Watt

Hafen Tammensiel auf Pellworm

Küstenmotorschiff „DIDE“ entladen

Springflut und Badefest im Hafen Tammensiel

Ver- und Entsorger für Helgoland in der Wischhafener Süderelbe

Putz- und Flickstunde in Freiburg an der Elbe


Jahresurlaub der werktätigen Crew und Enkeltaufe begrenzen die Zeit für diese Sommerreise, die etwas nervige Kanalfahrerei vor und nach der Kieler Woche bestimmt die Richtung: Erstmal die Elbe runter, Richtung Nordsee und dann je nach Wind und Wetter - weg von Komfort, Enge und Stress des Stadtlebens, hin zu weiter Naturlandschaft, Seeluft und Sport!


Unser Sommertörn 2016 startet am 14. Juli, wir erleben die Elbe von ihrer anstrengenden Seite: Bei NW 5 kommen wir mit Genua III und Großsegel nur bis Glückstadt. Die kurze Welle bei ablaufendem Wasser bremst und macht nass. Die Alternativen für den nächsten Tag: Entweder fortgesetzt kämpferisches Segeln bei NW 6 mit heftigen Böen oder lieber Proviantergänzung, Stadtbesichtigung und Verpflegung im Ratskeller? Wir schalten auf Urlaub und legen einen Hafentag ein.


Neuhaus an der Oste und Cuxhaven sind nächste Stationen. Cuxhaven erreichen wir über die kräftig durchströmte Medemrinne. Die Passage zwischen Kratzsand und Medemsand allerdings versandet zusehends, bei Niedrigwasser wird es für Kielboote ziemlich flach.


WNW 6 gebietet wieder einen Hafentag: Wir können in Cuxhaven Mr. Otto vom Ballad Klub an Bord begrüßen und versuchen dann, Jochen von der HALVAR für den Ballad Klub zu begeistern. Das führt zu Schiffsbesichtigung mit Bier: Jochen berichtet von seinen Helgolandtörns und wir staunen über eine Vielzahl von Verstärkungen des Rumpfes und des Riggs auf der HALVAR. Hoffentlich muß Jochen nie so hart segeln, daß er damit auf die Probe gestellt wird. Wir revanchieren uns am nächsten Morgen mit Frühstücksbrötchen. Am Nachbarliegeplatz macht ein Halbtonner vom Typ Scampi aus Hamburg fest. Die Scampis waren zur Hochzeit der Halbtonner wohl scharfe Konkurrenten der Balladen. Natürlich kam ich mit dem Skipper ins Gespräch: Seit 40 Jahren segelt er mit seiner Frau auf diesem Schiff, jetzt steht seine 80ste Geburtstagsfeier mit Kindern und Enkelkindern in Cuxhaven an! Herzlichen Glückwunsch, jetzt nachträglich! Was kam noch heraus: Das Winterlager dieses Halbtonners ist mal grad einige Meter weiter östlich von unserer Winterlagerhalle in Harburg. Auch die CARINA hat den Tornado 2006 mit Hallencrash schließlich einigermaßen überstanden. Hamburg erweist sich wieder mal als Dorf.


Am 19. Juli verlassen wir bei W 3 um 10.35 Uhr Cuxhaven mit dem Ziel Helgoland. Allzu flauer Wind fordert zeitweilig Motorunterstützung. Um 18.45 Uhr machen wir als 4. Schiff auf Helgoland im Päckchen fest, eine Landleine wird von uns ausgebracht, Gewitterböen sind angesagt. Vier weitere Schiffe schließen sich im Laufe des Abends an, weitere Landleinen und schließlich eine Leine zur Boje folgen. Von der Crew des Nachbarbootes aus Spieka-Neufeld werden wir zu einem Bier eingeladen: Ein Gespräch über die Segelei von dort aus (im Watt und mehr zur Weser hin orientiert), über Kindergärten und das Leben auf dem Lande schließt sich an. Weiter draußen im Päckchen bindet eine IW 31 aus Stuttgart an. Hat schon die Welt umsegelt, war auch schon in Stuttgart. Warmes und sonniges Wetter hält uns einen Tag auf Helgoland fest: Wir besuchen Maret, Iko und Oke auf neuem Schiff mit Doppelkiel (sie geben uns eine Empfehlung für Pellworm), dann Ulis Lieblingskleingärten auf dem Oberland, queren die Insel, speisen schließlich im ATLANTIS und kaufen noch einige zollfreie Getränke.


Der frühe Ablegetermin des ganz innen liegenden Bootes führt natürlich zur Auflösung unseres Päckchens und schon um 8.40 Uhr verlassen wir Helgoland Richtung Amrum. Bei NNW 3 können wir die Ansteuerung für das Rütergat überwiegend gut anhalten, später dreht der Wind auf NO. Wir erreichen das Rütergat nach 23 sm um 13.00 Uhr und machen dann um 15.45 Uhr nach 37 Tagesmeilen im Hafen von Wittdün auf Amrum nach dem freundlichen Hinweis eines Hamburger Seglers in einer freien Box fest. Wir verbringen dort bei Sonne und Flaute zwei geruhsame Hafentage: Hafenbäder bei Flut, Dünenspaziergänge zum Kniepsand, Lektüre, Proviantergänzung.


Weiter geht es zur Hallig Hooge: 8,5 sm sind nach zwei Stunden geschafft und wir erreichen den Seglerhafen von Hooge bei hoch aufgelaufenem Wasser durch das enge Sperrwerk des Sommerdeiches. Es gibt freie Plätze am Seglersteg, gleich acht helfende Hände stehen dort für unser Anlegemanöver bereit. Sahen wir so hilfsbedürftig aus? Oder haben die unsere in Helgoland erworbene Sherryflasche schon geschnuppert. Jedenfalls gab es einen Anlegeschluck für die Helfer und unser Serviertablett für die Schnapsgläser hatte seinen Auftritt. Ein Husumer Segler vertritt den Hafenmeister und übergibt uns Schlüssel für das aufgeständerte Hafenhaus. Er besorgt uns sogar Ersatz für das in Hamburg wg. Regatta ausgeräumte Fenderbrett. Eine nächste Sorge betrifft die Lage des Bootes bei Niedrigwasser: Sinkt der Kiel ausreichend in den Boden ein? Ist es dort eher hart und sandig oder schlickig weich? Jedenfalls soll das Boot möglichst waagerecht stehen bleiben und nicht kippen. Es wird daher einigermaßen dicht an die Pfähle herangezogen, darf aber bei Niedrigwasser auch nicht in den Leinen hängen. Schließlich sinkt der Kiel ausreichend in den Boden ein, andere Boote haben hier wohl schon ein passendes Bett geformt.


In der freundlich-familiären Atmosphäre des Seglerhafens von Hooge lässt es sich die nächsten beiden Tage bei warmer Luft und Sonnenschein gut pausieren: Bei Flut wird im Hafen gebadet, frisch gesammeltes Treibholz wird zu neuem Fenderbrett verarbeitet. Bei Niedrigwasser kreischen die Austernfischer mit den Möwen um die Wette und stochern neben und unter den Booten futtersuchend im Watt herum. Im Klönschnack stellt sich heraus, daß einer der Nachbarsegler von Husum aus segelt, aber in Kiel wohnt: Revier und Leute in Nordfriesland gefallen ihm einfach besser! Ein anderes Paar hat jahrelang in Hamburg gearbeitet und gewohnt, teils auch auf der Elbe gesegelt (waren im MSC), mit dem Eintritt ins Rentenalter hat es die Beiden jedoch wieder zurück nach Husum und in das nordfriesische Segelrevier gezogen. Natürlich erscheint auch noch der richtige Hafenmeister, begrüßt uns und berichtet von seiner Teilnahme an der diesjährigen stürmischen Nordseewoche mit seiner REBELL. Als ältester Teilnehmer wurde er extra prämiert! Eine Wattwanderung Richtung Jappsand sowie Proviantergänzung beim Halligkaufmann füllen die beiden Hafentage auf Hooge weiter auf.


Am 27. Juli verlassen wir Hooge mit dem Hochwasser um 7.45 Uhr. Wind aus SSW Bft. 3 – 4 bringt uns flott durch das Fahrwasser der Süderaue, wir queren die Norderaue und laufen in das Kniepsandfahrwasser ein. 2,4 m Wassertiefe sind in der Karte als geringster Wert bei Niedrigwasser verzeichnet, das muß eine Stunde nach Hochwasser für unseren Tiefgang von 1,55m reichen. Wir queren das Fahrwasser Vortrapptief bei der Tonne 7 und erreichen dann über die westlich vom Vortrapptief aufgeworfene Barre hinweg ( 2,3 m lt. Karte ) die Nordsee mit 10 m tiefem Wasser. In den nächsten fünf Stunden segeln wir mit Kurs Nord die Küste von Sylt entlang. Durch das Lister Landtief und durch das Römö Dyb schieben uns Wind und neuer Flutstrom in den Römö Havn. Ein nüchterner Fischerei- und Gewerbehafen mit Schwimmsteganlage für Segler – weitgehend leer und ohne Segler – empfängt uns hinter dem Fähranleger für die Römö-Sylt-Fahre. Täglich 8x nimmt diese Fähre PKW und reichlich LKW auf und bringt diese nach List auf Sylt und ggfls. auch wieder zurück. Weitere Attraktionen konnten wir bei unserem Kurzbesuch auf Römö nicht finden.


Am nächsten Mittag verlassen wir mit ablaufendem Wasser die Insel wieder. Nach zwei Stunden ist die Barre vor der Ansteuerung erreicht. Geringe Wassertiefe, Strömung und alter Seegang erzeugen dort Brandung (wie in der Karte vermerkt), das Fahrwasser ist allerdings rechtzeitig mit 5 – 6 m Wassertiefe nach Norden verschwenkt und wir erreichen problemlos die Küstenverkehrszone der Nordsee mit Wassertiefen über 10 m. Der schwache W – NW – Wind braucht leider viel Motorunterstützung, erst gegen 20.00 Uhr erreichen wir den Yachthafen auf Fanö. Wir müssen dort leider feststellen, daß die Verschlickung des Hafens reichlich zugenommen hat und ein vernünftiger Liegeplatz für uns nicht erreichbar ist. Wir drehen im Schlick mühsam bei und machen dann um 20.45 Uhr im Sösporthavn Esbjerg fest. Im Fahrwasser nach Esbjerg waren uns gleich mehrere Frachtschiffe und zu den vorgelagerten Windparks gehörige Katamarane begegnet. Schon vor Stunden waren uns die Türme von riesigen Errichterplattformen aufgefallen. Diese Offshore Anlagen für Windenergie, die Fracht- und Fährschiffahrt, die Werften und die Fischerei geben dem Hafen von Esbjerg ein eigenes geschäftiges Gepräge! Der Sösporthavn dagegen ruhig und verlassen. Glücklicherweise finden wir am Steg einen freundlichen Motorbootfahrer, der uns Lage und Code für die sanitären Anlagen mitteilt.


Ein Hafentag ist unserer Versorgung und der Erkundung von Esbjerg-Stadt gewidmet. Stadtzentrum und Rathaus der Stadt sind erstaunlich weit vom Hafen entfernt. Einen historischen Siedlungskern sucht man vergebens, denn Esbjerg wurde ab 1869 auf Beschluss der dänischen Regierung neu errichtet: Denn nach dem Verlust der Herzogtümer Schleswig und Holstein im Krieg gegen Preußen und Österreich 1864 hatte das dänische Königreich keinen leistungsfähigen Nordseehafen mehr. Der Bau dieses neuen Hafens mit Eisenbahnanschluss bewirkte, dass Fischerei und Seefahrt aus den umliegenden Gebieten nach Esbjerg zogen und der Ort einen schnellen Aufschwung erlebte. Der Hafen wurde mehrfach erweitert. Heute leben über 100 000 Menschen in der jüngsten Großstadt Dänemarks.


Im Rathaus begrüßt uns der Event Manager des Touristik Büros. Berichtet uns – seit Reisebeginn von Nachrichten abgeschnitten - von jüngsten Terroranschlägen in Frankreich und München und von seinen umfangreichen Vorbereitungen und Vorkehrungen für die Sicherheit des Publikums bei den vielen Musikveranstaltungen. Esbjerg ist musikalische Hochburg in Westjütland. Er weist uns als Segler auf ein umfangreiches Yachthafenprojekt n-lich vorhandener Häfen hin und übergibt uns eine entsprechende Broschüre. Die Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften im Bereich der Fußgängerzone interessieren uns weniger als ein ordentliches Cafe` - gar nicht so einfach zu finden.


Ausgeruht, mit frischem Proviant und nachgetanktem Diesel verlassen wir am 30. Juli 10.00 Uhr den Hafen von Esbjerg mit ablaufendem Wasser bei NNW-4. Wir passieren wieder die monumentale Skulpturengruppe „Der Mensch am Meer“, die 1995 als Wahrzeichen der Stadt am Säddinge Strand Richtung Nordsee errichtet wurde. Schon bald können wir das Gradyb-Fahrwasser verlassen und raumschoots mit Kurs 180 Grad komfortabel Strecke machen. Nach 5 Stunden haben wir 27 sm zurückgelegt und befinden uns auf der Höhe des Lister Tiefs. Weit entfernt begegnet uns eine Segelyacht auf Gegenkurs unter Motor- eine bedauernswerte Bolzerei. Um 19.20 Uhr erreichen wir nach weiteren 26 sm die Ansteuerungstonne zum Holtknobsloch. Mit der Flut laufen wir durch das Holtknobsloch, dann durch das unruhige Vortrapptief nach Hörnum. Nach 64 Tagesmeilen machen wir dort um 20.45 Uhr fest.


Hafentag Hörnum: Etliche Katamarane am Strand vor dem Hafen waren uns schon beim Einlaufen aufgefallen. Jetzt wurden wir mit Partylärm und Transparenten auf das laufende Sylter Catamaran Festival hingewiesen. Zunächst finden dabei mit 60 Seemeilen vor Sylt zum 30. Mal zwei Langstreckenwettfahrten statt, die am Strand vor dem Hafen gestartet werden, dann um die Südspitze der Insel herum, an der Insel entlang bis zu einer Wendemarke vor dem Lister Weststrand und wieder retour gesegelt werden. Ich habe mir die Katamarane angesehen, mit einem Solo-Segler der Topcat Klasse K3 gesprochen und mir auch die Melde- und Ergebnisliste angesehen: 23 Meldungen lagen vor, davon 8 Meldungen Topcat Klasse K3. Diese werden einhand gesegelt, alle Segler müssen ins Trapez. Mit großem Respekt blicke ich auf die dabei ausdauernd zu erfüllende sportliche Leistung; erst nach 3 oder 4 Stunden ist der Kurs abgesegelt! Wie gemütlich wir`s doch im Cockpit des FLIEGENDEN STERN haben! Ein Spaziergang zur Südspitze soll unseren Bewegungsmangel ausgleichen, endet aber unversehens in einem heftigen Regenschauer. Im Hafen treffen wir die FLYING M, frühere Mitbewerberin auf Elbregatten, jetzt auf Urlaubstour.


Mit dem Ziel, um ca. 13.00 Uhr bei Hochwasser die Hallig Hooge zu erreichen, starten wir um 9.00 Uhr von Hörnum (Vorhersage W 4 – 5). Die Flut im Vortrapptief läuft uns entgegen, aber sobald wir den Schutz der Insel verlassen dreht der Wind auf NW und nimmt in Böen erheblich zu. Natürlich laufen wir mit Groß und Genua III gute Geschwindigkeit, das Vortrapptief verwandelt sich aber schlagartig in einen wilden Hexenkessel mit kurzen steilen Wellen, die auch noch aus verschiedenen Richtungen zusammenlaufen. Die Sprayhood muß hoch, im Inneren des Bootes öffnen sich durch die bockigen Bewegungen des Bootes Schiebeschranktüren und unser Plastikgeschirr poltert umher. Weiter südlich im Vortrapptief wird es glücklicherweise mit weniger Strömung etwas handiger. Wir wechseln in das Kniepsandfahrwasser. Obwohl die Seekarte dort z. T. nur Wassertiefen von 2,4 m verzeichnet, ist der Seegang deutlich friedlicher als im Vortrapptief (kaum Strömung vor dem Kniepsand). Wir laufen wieder in die Süderaue ein, überholen dort einen segelnden Langkielklassiker unserer Größe und können um 13.00 Uhr nach 22 sm als einziges Boot außen am Seglersteg von Hooge festmachen. Das Kielboot mit 1,7 m Tiefgang bekommt vom Hafenmeister einen Stegplatz gleich hinter dem Sperrwerk zugewiesen, dort ist wohl mehr Wasser, aber ein festerer Untergrund. Der Langkieler aus Hamburg-Cranz mit dem Namen OLE wird per Spinnakerfall gegen Umfallen gesichert. Wir haben das bekannte alte Loch mit weicherem Untergrund gewählt. Mit Ulis Reservierung in der T-Stuv auf der Hanswarft ist die abendliche Verpflegung gesichert. Ansonsten wieder das beruhigende Hafenkino mit Naturprogramm.


Kurz vor Hochwasser (aber etwas zu spät) verlassen wir am nächsten Tag die Hallig. In der Süderaue geht es bei NW 2 nur langsam mit dem Rest der Tide Richtung Osten. Wir folgen der OLE aus Hamburg-Cranz, welche ebenfalls nach Pellworm segeln will. Mit Motorunterstützung überholen wir, passieren die Halligen Gröde-Appelland, Habel und die Hamburger Hallig und haben bald die im Norderhever ablaufende Tide mit uns. Um 17.00 Uhr laufen wir in den Pellwormer Hafenpriel gleich neben dem Fähranleger ein. Aber – der Hafen ist schon in Sichtweite – wir stecken wieder mal im Schlick, das Wasser ist schon zu weit abgelaufen. Also nix wie weg, retour durch den Hafenpriel und rüber nach Nordstrand: durch die Fuhle Schlot zum Fährhafen Strucklahnungshörn. Wir hoffen, daß hier ausreichende Wassertiefen für den Fährbetrieb (und für uns) vorgehalten werden und sich ein Liegeplatz finden lässt. Das klappt weitestgehend – vom Schlick vor der Hafeneinfahrt mal abgesehen: Die aufkommende Fähre zeigt uns dann auch gleich überholend, daß die Außenkurven des Fahrwassers auch hier tieferes Wasser haben! Um 18.25 Uhr können wir dann dicht vor den Toren des Sieles an einem kleinen Krabbenkutter festmachen. Ein älterer freundlicher Bootsmann von der HOOGE, einem Schleppfahrzeug des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, gibt uns den freundlichen Hinweis zu diesem Liegeplatz. Beim späteren Klönschnack stellt sich heraus, daß er jetzt noch vier Monate Arbeitszeit bis zur Rente vor sich hat und aus Friedrichskoog stammt. Die tägliche Fahrt dorthin ist ihm zu weit, also übernachtet er an Bord der HOOGE, die um 6.00 Uhr schon wieder den Dienst aufnehmen wird. Sie schleppt Schuten mit Baumaterialien im Watt oder hält mit ihrer Eggvorrichtung unter Einsatz von Druckluft die Fahrrinnen im Watt auf Tiefe. Seine Enttäuschung über die Schließung des Hafens von Friedrichskoog ist groß. Offensichtlich sind für die Einheimischen viele Fragen offen geblieben: Einzig der Verdacht, der Minister wolle sich mit einer erweiterten Schutzzone im Watt vor Friedrichskoog „schmücken“, bleibt als Motiv für die ansonsten aus wirtschaftlicher und touristischer Sicht kontraproduktive Hafenschließung stehen. Werften, Fischereibetriebe und auch die vernünftige Nutzung der bestehenden Sielanlagen zur Entwässerung wurden geschlossen oder verlagert.


Nach einer ruhigen Nacht im Siel- und Fährhafen ohne Gebühren und ohne Service verlassen wir gegen Mittag (rechtzeitig vor HW Pellworm!) den Hafen, um mit Motorkraft bei Regen und SW 5 nach Pellworm überzusetzen. Um 14.00 Uhr können wir in Tammensiel auf Pellworm längsseits des Krabbenkutters COLUMBUS festmachen. Wir treffen wieder auf die OLE aus Hamburg-Cranz, die vor Anker an der Wattkante auf die Flut gewartet hat und dann nachts in den Hafenpriel eingelaufen ist. Trotz ihres eher ungünstigen Liegeplatzes an der Pier gab uns der Skipper der OLE bei der Vorbeifahrt die Empfehlung bei der COLUMBUS längsseits zu gehen! Das beschert uns eine ruhige Liegezeit ohne ständige Fender- und Leinenbedienung, aber mit Kletterübungen über die längs gezurrten Kurrbäume hinweg. Ein Hafentag auf Pellworm erlaubt uns die Inselerkundung per Elektroauto, Bücher-, Proviant- und Petroleumeinkauf sowie Beobachtung des Hafengeschehens: Das Hamburger Küstenmotorschiff DIBE war nachts vom Brunsbütteler ElbeHafen kommend eingelaufen. Ein Hydraulik-Bagger schüttet die Schiffsladung Split (für den Straßen- oder Wegebau) in wenigen Stunden zu zwei gewaltigen Haufen auf die Kaifläche. Über 10 LKW-Ladungen wären das, viel günstiger als der teure LKW-Transport, meint der Schiffsführer - nicht ohne Stolz. Aber die Behörden würden alles so schwierig machen. „Scheunes Schipp“ versuche ich tröstend auszugleichen und halte meinen Daumen nach oben.


Die Springflut lässt das Wasser über die Kaikante treten und lädt Teile der Dorfjugend zu einem Schwimmbad im Hafen ein. Wir kommen nur mit Fußbad auf die COLUMBUS und zu uns an Bord. Schon der Hafenmeister hatte uns geraten, den nächsten Tag zur Abfahrt von Pellworm zu nutzen, da die darauffolgenden Tage mit stürmischem Wetter angekündigt wären. Auch mit dem Seglerpaar aus Hamburg-Cranz haben wir die Wetterlage beraten: Von ihrer ursprünglichen Absicht, über die Eider und den NOK zur Elbe zu segeln, haben diese wegen des Wetters Abstand genommen, um Richtung Husum zu segeln und mit der Bahn nach Hamburg zu fahren. Nach dem stürmischen Wetter wollen sie dann einen neuen Anlauf von Husum aus starten. Auch nach ihren Wetterprognosen sollte der folgende Tag noch ein einigermaßen brauchbarer Segeltag werden. So auch DP07, der W 4-5, später NW drehend voraussagt. Wir wollen deshalb mit dem Nachthochwasser (4.00 Uhr) Pellworm verlassen, denn am 13. August wollen wir unbedingt Enkel Fietes Elbtaufe mitfeiern und jetzt nicht auf Pellworm eingeweht werden!


Weckergeklingel um 3.45 Uhr, Ablegen 4.20 Uhr in stockfinsterer Nacht. Mit Licht aus dem LED-Fahrradstrahler tasten wir uns von Pricke zu Pricke durch den Hafenpriel, die grünen bzw. roten Reflektorstreifen an den Pricken sind dabei eine erstklassige Hilfe. Regenschauer erschweren uns (Brillenträgern) die Orientierung zusätzlich. Am Fähranleger erreichen wir die Norderhever. Aber statt Westwind bläst uns jetzt leider Südwestwind mit 4 -5 Bft. entgegen. Wir entscheiden uns für Motorfahrt im engen wenig bekannten Fahrwasser. Wir werden bald danach vom Küstenmotorschiff DIBE per Scheinwerfer angeleuchtet und überholt. Sie ist nicht so viel schneller als FLIEGENDER STERN und kann uns mit Hecklicht und hoch aufragendem, leeren Schiffskörper über lange Zeit den Weg durch das Fahrwasser zeigen, erst recht bei erstem Tageslicht. Natürlich machen wir mit Karte, Kompass und Kartenplotter auch unsere eigene Navigation: Nach 4,5 sm mit KK 235 Grad erreichen wir um 5.45 Uhr NH 1, dann erreichen wir 6.35 Uhr die grüne Tonne AH 13 und queren die Innenquage zur Süderhever. Um 6.40 Uhr können wir dort endlich die Genua III setzen und ab SH 6 mit KK 180 Grad Richtung Elbe über den flachen Rochelsteert hinwegdüsen. Um 10.00 Uhr sichten wir die Ansteuerung für die Süderpiep. Fortwährend blieb die DIBE (weiter draußen) im Blick, nach dem Setzen des Großsegels in der Norderelbe nimmt unsere Geschwindigkeit zu, im Lüchterloch kommen wir auf die DIBE weiter auf. Um 12.40 Uhr können wir dann nach 41,8 Tagesmeilen in Cuxhaven einlaufen, festmachen und ausruhen. Die heimatlichen Gefilde sind erreicht, stürmischer West-Wind wird uns hier und auf der Elbe nicht festhalten.


Am 6. August feiern Jan Cux und Anna Cuxi Geburtstag. Als Werbefiguren für den Cuxhaven-Tourismus haben sie sich Verdienste und Ansehen erworben: Im Lotsenviertel hat man entsprechend ein schönes Kinderfest mit vielen Attraktionen aufgebaut und veranstaltet. Wir geraten unversehens mitten hinein und sind auch ohne Kind schwer beeindruckt, erst recht als die beiden Werbefiguren leibhaftig über die Festmeile spazieren. Beide fahren schließlich als schlichte Aufkleber - aber gute Geister - seit über zwanzig Jahren auf dem FLIEGENDEN STERN mit. Nach Brillenreparatur, nach erfolglosem Versuch des Krabbenkaufes (kein ausreichender Fang) und nach einem Besuch beim Schiffsausrüster können wir um 13.30 Uhr mit der Genua II elbauf gehen. Jan Lok entdeckten wir leider erst beim Verlassen des Hafens, es blieb bei einem kräftigen wechselseitigen Hallo. 17.25 Uhr machen wir am Ostehafen von Neuhaus fest. Wenig später binden auch Dirk und Uwe ihre stählerne EENFACH SCHEEN aus Barnkrug dort an. Meine Hilfe beim Anlegemanöver wird mit einer Einladung zum Bier „honoriert“. Barnkrug ist ein ziemlich versteckter und verschlickter Hafen an der Unterelbe, hinter dem Schwarztonnensand in der Nähe von Drochtersen. Es ergibt sich ein interessantes Gespräch mit dem Skipper, der kurz vor der sog. Wende als Angehöriger eines „zänkischen Bergvolkes im Erzgebirge“ aus der DDR über Ungarn in den Westen geflüchtet ist und jetzt als Tischlermeister mit Behinderten arbeitet. Sein Mitsegler ist Landwirt in Barnkrug, segelnderweise sucht er einmal Abstand von seinem Milchviehhof.


Hafentag in Neuhaus: Kaffee und Kuchen bei Wiebke, danach inspizieren wir Deichstraße und den Alten Hafen. Das Tourismus-Büro ist geöffnet, einige Fragen zur Geschichte von Neuhaus werden beantwortet, weitergehende Fragen werden in dem spontan an Frau Schröder (bislang Chefin des Heimatmuseums) vermittelten Telefonat geklärt. Wir versprechen Grüße in ihre alte Heimat Groß-Flottbek mitzunehmen. An Bord des FLIEGENDEN STERN werden Schraubverbindungen zwischen Inneneinrichtung und Rumpfschale kontrolliert und nachgezogen. Natürlich fand auch ein ausgiebiges Gespräch beim Hafenmeister Herrn Stier statt.


Auch am Montag, dem 8. August beherrscht stürmischer Wind die Szene: Mühsame Motorfahrt mit der Tide gegen den Wind aus der Oste raus, kräftiger Seegang auf der Elbe (es läuft noch abwärts), aber wir können platt vor dem Laken die Genua III hochziehen und dann mit Sausefahrt Richtung Brunsbüttel und dann nach Freiburg elbauf segeln. Über eine Stunde hinweg nutzt eine erschöpfte beringte Taube auf dem Kajütdach die vergleichsweise ruhige Mitfahrgelegenheit, bevor sie sich dann wieder aufschwingt und mit dem Wind Richtung Nordufer davon flattert. Im Freiburger Hafen liegen wir einigermaßen windgeschützt. Mit Elke und Willi haben wir uns im Cafè verabredet, wir verbringen dort gemeinsam einen interessanten und nahrhaften Nachmittag.


Nach einer Station in Wischhafen erreichen wir schließlich mit W 4 am Mittwoch, dem 10. August um 20.35 Uhr rechtzeitig unseren Liegeplatz im Hamburger Yachthafen Wedel – mit kalter Luft und Regen findet jetzt ein Wetterwechsel statt. Das haben wir gut abgepasst!
Mein Dank geht an Uli als Crew, als Lektorin und als Fotografin und überhaupt.
Wir haben an 17 Segeltagen etwa 475 sm zurückgelegt und haben dabei 16 Häfen angelaufen. 11 Hafentage wurden wegen widriger Winde und/oder wegen Ruhe- oder Besichtigungswunsch eingelegt.
Mein Resümee: Die nordfriesischen Inseln und das Watt sind als Landschaft und als Segelrevier unbedingt empfehlenswert. Die wenigen Segler begrüßen sich hier interessiert und freundlich, sind hilfsbereit und entspannt. Die Tücken und Eigenarten des Revieres lassen nicht jeden Bootstyp zu. Ein gutes Zeitpolster erleichtert aber den Umgang mit wetter- oder tidebedingten Widrigkeiten.


Hamburg im August 2016, Klaus Lange