20 Jahre Albin Ballad - Ein Kreuzer für alle

Bericht aus der Zeitschrift "Segeln" vom Oktober 1988 Über die Ballad. Viele bekannte Ballad Segler kommen darin zu Wort.

Bericht (und Fotos - sind leider nur sehr schlecht erhalten und daher weggelassen): Andreas Lentfer

Kaum ein anderer Tourenkreuzer aus den sechziger Jahren ist so lange so populär geblieben wie die alte "Albin Ballad", die inzwischen nur noch einfach Ballad heißt und als internationale Einheitsklasse heute unter Touren- und Regattaseglern viele Freunde gefunden hat.

Dichtgedrängt liegen 35 Ballads vor der Startlinie und stampfen heftig in der hackigen See. Seit Tagen weht es in Skanör an der Südwestspitze Schwedens mit fünf bis sechs Windstärken, aber alle fahren Genua zwei und das Großsegel ohne Reff.

Da knallt der Startschuss. Manfred Böttge aus Flensburg ruckt einmal kurz an der Pinne seiner nagelneuen "Thule", nimmt Fahrt auf und geht an den Wind. Drei Mann rutschen auf die hohe Kante.

"Und fast kein Ruderdruck!" Manfred hat gleich bemerkt, was ich einwenden wollte. "Bis Windstärke sechs fahren wir immer das volle Groß, die kleine Genua holen wir erst bei sieben raus." Das Speedometer pendelt sich bei fünfeinhalb Knoten ein, und "Thule" schiebt mit leichter Lage und erstaunlich ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen über die steile Welle. Der seetüchtige Tourenkreuzer mit dem schweren Rumpf, den langen Überhängen und dem altmodischen Topprigg ist fast schon eine Rarität und sicherlich das einzige Schiff aus den sechziger Jahren, das bis heute in unveränderter Form gebaut und verkauft wird. Ein 20 Jahre alter Tourenkreuzer, mit Hundekoje und allem, was damals modern war, der alle Konstruktionstrends überdauert hat und heute sogar noch junge Leute begeistert.

Über 2000 Ballads segeln immer noch in Schweden und Dänemark, in Deutschland und Norwegen. Aber auch in England und Holland haben die Ballad-Eigner Klassenvereinigungen. "Mindestens hundert Ballads gibt's in England, und in Los Angelos liegen sogar fünf in einem Hafen", erzählt Günther Heinsen, Eigner der 14 Jahre alten "Astarea", die überall anzutreffen ist, wo Ballads Regatten segeln. Sogar in Athen und Hongkong sollen schon Ballads gesichtet worden sein.

Soviel Erfolg hat sich Konstrukteur Rolf Magnussen sicherlich nicht träumen lassen, als er 1968 einen Halbtonner entwarf und ihn "Joker" nannte. Das Schiff wurde nach dem Halbtonnerpokal in Hundestedt 1968 von dem schwedischen Bootsbauer Kennet Albinson gleich 80 Mal gebaut und verkauft.

Damals hatte die schwedische Motorenfabrik Albin Marin gerade damit angefangen, auch Motor- und Segeljachten zu bauen. Albin kaufte das gesamte ?Joker?-Projekt und nannte das Schiff fortan "Albin Ballad". Die Ballad war die ideale große Schwester für die schon vorher vorhandene Albin Vega.

Bis 1975 baute Albin Marin dann rund 1600 Ballads, zu Spitzenzeiten sogar 350 Schiffe pro Jahr. Als aber die Nachfrage Ende der siebziger Jahre nachließ, konnten sich die schwedischen Bootsbauer nicht schnell genug darauf einstellen und mußten die Produktion 1980 nach mehreren Konkursen aufgeben.

Inzwischen war die Ballad als internationale Einheitsklasse anerkannt, überall gab es nationale Klassenvereinigungen, mit der BODA ("Ballad One Design Association") als Dachorganisation.

Der BODA gelang es nach der Werftpleite, die Formen der Ballad aus der Konkursmasse von Albin Marin zu kaufen. Ohne die Formen wäre die Klasse am Ende gewesen. Nun musste man nur noch eine neue Werft finden. Doch das erwies sich als schwierig. 1982 begann die Firma Shipman in Ega bei Arhus mit den Formen der BODA neue Ballads zu bauen, musste aber schon nach kurzer Zeit wieder aufgeben. Als nächster bekam 1984 Bootsbauer Kolhede in Vejle die Formen, doch auch diese Verbindung brach man wieder ab. Kolhede konnte die geforderten Stückzahlen nicht in angemessenen Lieferzeiten produzieren.

So richtig in Schwung kam der Bau neuer Ballads erst 1986 wieder, als die BODA die Verantwortung für die Ballad-Produktion an den jetzigen Händler Ingo Petersen in Flensburg übergab. Der beauftragte die Firma Sydals Badservice in Horup Hav auf der Insel Alsen mit dem Bau der Ballad, sie macht heute den kompletten Ausbau. Die GfK-Arbeiten (Rumpf und Deck) sind an einen kleinen Betrieb im benachbarten Egernsund vergeben. Unter die unheilvollen Kapitel der Ballad-Geschichte zog, man einen Schlussstrich, nannte die Boote fortan Ballad Mk 3, und machte mit der Segelnummer 2000 einen Neuanfang. So viele Ballads waren bis dahin von den verschiedenen Werften gebaut worden.

Inzwischen sind auf Alsen 22 neue Ballads Mk 3 entstanden, die Jahresproduktion liegt bei fünf bis zehn Schiffen.

Und wer kauft heute noch so ein neues, altes Schiff? "90 Prozent sind Tourensegler", betont Ingo Petersen, "die Ballad ist ein ausgesprochenes Tourenschiff."

"Aber ein Tourenschiff mit dem Vattern auch mal Regatta segeln kann, ohne dass er sich gleich vermessen lassen muss", will "Belkedia II"-Skipper Peter Hellmich unbedingt ergänzt wissen. Er ist selber Fahrtensegler und trotzdem immer wieder gern beim Ballad-Cup dabei. "Wenn wir mal Regatta segeln, wie hier in Skanör, dann wird das richtig ernstgenommen. Dann kommt die Tourenausrüstung von Bord, das wird alles auf Hotelzimmer und Begleitschiffe verteilt."

Die Regatten um den begehrten Ballad-Cup dauern drei Tage. Insgesamt werden fünf Wettfahrten gesegelt: Zwei Dreiecke pro Tag und am letzten Tag eine Langstrecke. Nach den Rennen kann man im Clubhaus des Skanör Segelclubs selbstgedrehte Videos von der Wettfahrt sehen oder Fotos vom eigenen Schiffbestellen, die ein Fotograf tagsüber draußen auf See gemacht hat.

Am Abend sind Geselligkeit, gemeinsames Essen und Siegerehrung mit großer Zeremonie angesagt. Jeder bekommt einen Preis und sei es auch nur die Erinnerungsplakette.

In dem großen Festzelt direkt am Hafen kommt Stimmung auf, wenn die Ballad-Segler Krabben und Weißwein auf die Tische stellen und am letzten gemeinsamen Gala-Abend sogar acht Spanferkel mit Remoulade vertilgen. Dazu gehören ganz nach schwedischer Art: Blazer, Krawatte, Aquavit, spanischer Rotwein und jede Menge, "Tuborg Grön".

Der gesellschaftliche Teil des alljährlichen Ballad-Treffens ist für viele ein Grund, immer wieder zu kommen. Man sieht sich, verabredet gemeinsame Törns und sucht sich unter den besten von den Besten die Crew für die nächste Regatta zusammen.

"Den letzten Cup haben wir in Schilksee organisiert", erzählt Peter Hellmich, der Vorsitzender der deutschen Ballad-Klassenvereinigung ist, "da gab es zusätzlich ein Ballad-Fahrtenseglertreffen mit großem Rahmenprogramm: Radwanderungen, Notpinne bauen und so weiter." 50 Ballads seien nach Kiel gekommen, 35 hätten die Regatten mitgesegelt, "da hatten wir auf allen Schiffen genügend Crews. Und wer nicht mit wollte, der hat fotografiert."

Nicht immer liegen die Austragungsorte so zentral wie Kiel. Im Jahr davor traf man sich in Aabenra und davor am Oslofjord. Wer es nicht geschafft hat mit dem eigenen Schiff in Skanör zu sein, kam einfach mit dem Auto hinterher. Viele deutsche Eigner haben in diesem Jahr ihren Urlaub so gelegt, dass sie während des Ballad-Cups in Skanör liegen, wie Manfred Böttge.

Andere kommen auf Umwegen: "Wir haben nach der Nordseewoche und Rund Skagen noch Seeland Rund und Gotland Rund gesegelt und sind durch den Götakanal zurückgekommen, da waren wir ja sowieso hier", blinzelt "Astarea"-Eigner Günter Heinsen, der von Anfang an bei jedem Ballad-Cup dabei war, "sogar oben in Norwegen."

Weil nicht jeder Skipper eine gute fünfköpfige Crew mitbringen kann, hatten die Organisatoren von der schwedischen Klassenvereinigung alle passiven Balladsegler aus ihren eigenen Reihen aktiviert. Auf Manfred Böttges "Thule" sprangen die Brüder Torbjörn und Anders Persson aus Malmö ein und brachten internationale Stimmung an Bord. Die beiden hatten die Spinnakermanöver auch dann noch sicher im Griff, wenn es dem Eigner schon etwas mulmig wurde.

Aber nicht immer sind die Crews so zusammengewürfelt, besonders nicht unter den Ballads, die unter den ersten fünfzehn liegen. Die "Flott" des Hamburgers Hans Bierschenk und Günther Heinsens, "Astarea" werden mit erfahrenen Leuten gesegelt. Bierschenk machte mit seiner "Flott" den 11. Platz, und die "Astarea" landete auf Platz 13.

Die beste Crew hatte sich der Däne Hans Peter Johannson aus Dragör an Bord Seiner Ballad "Pingvino II" geholt, nämlich die frischgebackenen Dänischen Meister der X-79, mit denen Johannson schon seit Monaten trainiert. Er gewann denn auch fast alle Wettfahrten, wurde wie erwartet Gesamtsieger und durfte, außer dem blankpolierten Ballad-Becher, auch den gesponserten Autopiloten mit nach Hause nehmen.

Beim Ballad-Cup gibt's eine Besonderheit, die nur durch die Einheitsklasse möglich ist: Manchmal reisen komplette Crews aus entfernten Ländern an, aber lassen ihr Schiff zu Hause. Die bekommen dann von den Veranstaltern eine Ballad gestellt, ziehen ihre mitgebrachten Segel hoch und starten unter der eigenen Segelnummer. Das ist das Schöne an der Eintypklasse Alle Ballads sind gleich. Die strengen Vorschriften der BODA wachen darüber, dass sogar die Teppichauslage über die Jahre geblieben ist, wie sie war.

Obwohl man heute in der Lage wäre, ein Schiff wie die Ballad viel leichter und dennoch ebenso stark zu bauen, darf davon kein Gebrauch gemacht werden. Die Werft muss sogar 180 Kilo Blei in das Kielfundament einlaminieren, nur weil man von dem alten, schweren Einbaudiesel zu einem moderneren übergegangen ist, der leider auch weniger wiegt.

Da ist es kein Wunder, dass es selbst unter Ballad-Freunden harte Kritiker gibt: "Die sind ja total stehengeblieben", ärgert sich Mitsegler Lars Lorenzen aus Flensburg über die Klassenvereinigungen, "man könnte doch noch so vieles verbessern: weniger Gewicht, Profilstagen, bessere Traveller und vor allem eine bessere Großschot. Die muss man doch aus der Hand fahren können". Lorenzen fährt auf Helimichs "Belkedia II" als Trimmspezialist mit und ist eigentlich X-79-Segler.

Was soll man machen? Jede Veränderung würde sofort ältere Schiffe von den gemeinsamen Veranstaltungen ausschließen, und genau das wollen die Klassenvereinigungen nicht. Die alten Ballads sollen dabeibleiben, sie bilden ja das Rückgrat der ganzen Szene.

Man nimmt deshalb die Konstruktionsvorschriften gelassen hin und versucht einfach, auch die Vorteile zu sehen. Weil 3,3 Tonnen Mindestgewicht vorgeschrieben sind (bei einem Neun-Meter-Schiff), braucht man mit Material nicht zu sparen. "Das macht die Ballad zwar vergleichsweise teuer, aber dafür ist der Rumpf auch zwei Finger dick", Peter Hellmich sieht das sogar als Pluspunkt an. Die Ballad kostet heute 99 000 Mark, aber sie hat auch einen sehr hohen Wiederverkaufswert, gebrauchte sind praktisch nicht zu finden.

Auch die Böttges haben lange nach einer gebrauchten Ballad gesucht, bis sie endlich in Holland ein 12 Jahre altes Schiff fanden. "Vollkommen verwahrlost und voll mit Spinnen," schüttelt Frau Böttge den Kopf, "dafür wollten die noch 70 000 Mark haben. Da haben wir uns doch lieber für ein neues entschieden".

Wie hoch der Wiederverkaufswert seines Schiffes ist, weiß Peter Hellmich am besten. Seine "Belkedia I", Baujahr '79 war noch tiptop, trotzdem hat er seit einem Jahr eine neue. Warum? "Weil ich für die neue nur einen guten Tausender drauflegen mußte! Und Baujahr 87 lässt sich doch später wieder besser verkaufen als Baujahr 79, oder?"

Mit unglaublichen Geschichten wird man bei den Ballad-Seglern immer wieder konfrontiert, besonders aber, wenn es um die Schwerwettereigenschaften ihrer Schiffe geht, die erstaunlicherweise für die Ballad-Frauen der wichtigste Vorteil überhaupt sind! "Mein Mann spinnakert mit unserer "Flott" noch bei Windstärke acht," strahlt Frau Bierschenk. Ob sie dann selbst die Spischot fährt? "Nee, aber unser Sohn." Und von der "Astarea"-Crew kann jeder einzelne Stein und Bein schworen, dass sie mit Günther Heinsen auf der Edinburgh-Regatta 1987 bei Windstärke acht nur unter der kleinen Genua drei quer über die Nordsee gesegelt sind und nach drei Tagen dann auch noch als erstes Schiff ihrer Klasse in Edinburgh ankamen.

"Die spinnen, die Ballad-Segler", kommt sogar Kritiker Lorenzen ins Schwärmen, "ziehen bei Windstärke sechs noch den Riesenspinnaker, da würde es auf anderen Tourenschiffen nur noch Sonnenschüsse geben. Und auf der Ballad passiert gar nichts."