Aus dem Logbuch der "Lilofee"

Autor: Hans-Werner Strothmann, Albin Ballad - "LILOFEE" GER 1153, Cuxhaven.

 

Unser Mitglied Hans-Werner Strothmann und seine Ulla segeln seit drei Jahren im Mittelmeer, es ist uns gelungen, ihm eine Karte mit seiner bisherigen Reiseroute und einen Bericht über seine Reise 2001 ins Schwarze Meer abzuschnacken. Alles Gute für die beiden mit der "Lilofee" bei der Weiterreise und herzlichen Dank für den Bericht.

Aus dem Logbuch der Lilofee

Vier Jahre sind Ulla und ich nun im Mittelmeer. Segeln von April bis Oktober bei garantiert gutem Wetter. Das Winterhalbjahr gehört dann der Familie und dem Vereinsleben der SVC. Ich denke da an den Sylvesterball, Grünkohlwanderung, Herrenessen, Monatsversammlungen und den Arbeitsdienst. Der Kontakt zu den Freunden daheim ist für uns ganz wichtig und darf nicht abreißen. Unsere Winterlager bisher: Port Napoleon in Frankreich bei Marseilles. Das zweite Jahr lagen wir in Italien in der Hannibal-Marina bei Triest. Dann in Preveza, Griechenland und jetzt liegt die Lilofee in der Türkei. Wohlverpackt mit stehendem Mast in der Sunmarina bei Marmaris. Die türkische Rivera mit den vielen Buchten, glasklarem Wasser und den netten Menschen hat uns gut gefallen. Wir haben unsere Ballad in guten Händen zurückgelassen.

Wenn die Vereinskollegen in der Halle und im Außenlager an ihren Booten basteln und werkeln sind wir dabei, eine lange Ersatzteil- und Beschaffungsliste abzuarbeiten. Da fehlt noch ein Ladegerät, die elektrische Schlauchbootpumpe. Eine neue Wellendichtung. Die Gardinen müssen neu genäht werden. Faserspachtel (Sauerkraut) muß ich mitnehmen, in der Türkei unbekannt.

Habe da schon zuhause alles zusammengelegt. Das muß alles noch mit ins Gepäck. 20 kg Fluggepäck sind schnell zusammen. Hoffentlich ist da noch Platz für eine schöne Schweinemettwurst. Darauf müssen wir nun 6 Monate verzichten. Am 15. April 2002 ist der Flug und dann beginnt eine neue Segelsaison.

Ins Schwarze Meer

Schon 1998, im Englischen Kanal hatten wir uns kennengelernt. Die Besatzung der Philomena mit Birgit, Hans-Werner (hat den gleichen Vornamen wie ich) und Bordhund Amigo. Auch diese Reise wollen wir gemeinsam durchführen. Jeder auf seinem Schiff, ohne in die Pötte zu gucken. Wir verstehen uns gut und können uns prima ergänzen. Bis Istanbul fahre ich allerdings noch einhand auf meiner Lilofee. Ulla steigt in der Atakö-Marina dazu. Dann sind wir wieder komplett . Für die Einreise in die Ukraine (Krim) hatten wir schon rechtzeitig vorher ein Visum angefordert. Es galt für 6 Wochen. Rumänien hatte die Einreisebestimmungen gelockert und verlangte für EU - Bürger ab dem 1. Jan. 2001 kein Visum mehr. Glück gehabt. Bulgarien will bei der Einreise nur noch den Paß und die Schiffspapiere sehen.

21. Juni 2001 Sinop

Von den Prinzeninseln zur Atakö - Marina waren es nur wenige Meilen. Sie liegt schön zentral. In die Stadt Istanbul sind es nur wenige Minuten mit der Bahn und zum Flughafen mit der Taxe ein paar Kilometer. Ein Schlauchboot mit zwei jungen Leuten kommt mir entgegen und zeigt mir eine Box. Auf der Fahrt dorthin steigt einer von den Beiden über und ein Dritter wartet auf dem Ausleger. Ich darf mein Schiff nur steuern. Das Anlegen und das Festmachen mit dem vorhandenen Leinen gehört zum Service. Hier kann das Schiff für den Schwarzmeertörn gut vorbereitet werden. Ölwechsel und Teppichklopfen, das ganze Schiff wird geputzt und aufgeklart. Morgen steigt Ulla ein. Ich hole sie vom Flugplatz ab. Nur mit der Wäsche und dem Provianteinkauf warte ich doch lieber auf Ulla. Das kann sie besser als ich. Ein netter türkischer Bootsnachbar spendiert mir nach der vielen Arbeit einen "türkischen Kaffee". Wir unterhalten uns nett mit Händen und Füßen, englisch - deutsch und wenn es nicht weitergeht mit Papier und Bleistift. Herrlich.

23. Juni 2001 Kefken

Die Fahrt am Goldenen Horn vorbei, durch den Bosporus ins Schwarze Meer war trotz des starken Gegenstrom problemlos. Wir fuhren zunächst auf der europäischen, dann auf der asiatischen Seite. Immer den Strompfeilen mit dem geringsten Gegenstrom nach. Sie sind in der Seekarte eingezeichnet. Die Berufsschiffahrt hat natürlich Vorfahrt, ist aber bei weitem nicht so nervös wie auf der Elbe. Nun wissen wir auch, woher das Schwarze Meer seinen Namen hat. Es ist wirklich dunkelgrau bis schwarz. Der Wind kam aus SW mit 4-5 Bf. Ideale Bedingungen und Lilofee lief hervorragend. Eine Schule von Delfinen schwamm an uns vorbei. Ulla schätzte sie auf 30 Stück. Um 18.00 Uhr machten wir in Kefken an der Hafenmole mit Heckanker und zwei Vorleinen fest. Das halbe Dorf kam vorbei und begrüßte uns - nicht aufdringlich. Abends bummelten wir nochmals durch den Ort. Ein kleiner Junge mit weißen Kleidern und einer goldenen Krone saß da auf seinem weißen Thron und wurde gefeiert. Er sah aus wie ein kleiner Prinz. Es schien ihm aber gut zu gehen, denn er machte Faxen. Er war der Mittelpunkt und habt die Beschneidung wohl gut überstanden. Ein Alleinunterhalter machte orientalische Musik. Ab und zu wurde getanzt. Man kann die Feier wohl mit einer Konfirmation vergleichen. Um 22.00 Uhr waren wir zurück an Bord. Ulla bekam einen Eierlikör und ich einen Whisky. Prost auf den schönen Tag.

7. Juli 2001 Sinop

Die türkische Schwarzmeerküste von Istanbul nach Sinop kennt noch keinen Tourismus. Riesige Berge und Wälder sehen wir tagelang. Ab und zu mal die Küstenstraße, die in den Bergen verschwindet. Philomena und Lilofee sind alleine auf diesem Küstenabschnitt. Bis Sinop waren es 331 sm. Wir sehen kein weiteres Segelschiff. Hier in Sinop sind gleich 3 Moscheen in Hafennähe. Fünfmal am Tag und immer zur gleichen Zeit wird um die Wette gesungen. Keiner macht da einen Witz oder lächelt. Alle sind sehr andächtig. Heute müssen wir noch einen Hafentag einlegen. Schauen uns das wilde Wasser an und gehen danach ins Internetcaffee. Mal sehen, was die Homepage der SVC neues meldet. Eine herrliche Sache das Internet. Ulla schreibt noch ein paar E-Mails und ich setze mich für einen Saunabesuch ab. Hier wird das türkische Bad Hamam genannt. Für mich ein tolles Erlebnis. Mache da natürlich alle Gänge mit. Man wird eingeseift und gerubbelt. Die alte Haut muß runter. Jeder Knochen wird so lange gedrückt, bis es knackt. Das Blut ind die Finger- und Fußspitzen gepreßt, bis es kribbelt. Man ist dem Maaeur (ein wahrer Riese) völlig ausgeliefert. Macht Witze und es bringt Spaß. Drei Stunden hat der Saunagang gedauert und man fühlt sich danach wie neu geboren. An Bord zurück muß ich Ulla zuerst einmal berichten. Sie hat aus der Stadt Fisch mitgebracht und bereitet den Kartoffelsalat zu.

9. Juli 2001 Sinop - Feodosia ( Krim )

Wir sind um 8.00 Uhr zum ausklarieren zum Hafenmeister bestellt. Dann weiter zum Arzt. Danach zum Paßamt (Immigration). Stempel in den Paß und wir sind ausgereist. Weiter zum Zoll, das Schiff im Reisepaß muß noch ausgetragen werden. Ein Zöllner versucht über Formalitätenreiterei eine Flasche Whisky zu bekommen. Wir schmunzeln darüber, er bekommt eine Schachtel Zigaretten. Für uns läuft alles gut, nur die Stempel sind nicht da. Ein Zollbeamter hat sie mit nach hause genommen. Es wird viel telefoniert und endlich ist die Frau des Beamten mit den Stempeln da. Ein Agent bietet zusätzlich seine Hilfe an. Philomena und Lilofee lehnen die Hilfe, die natürlich nicht billig ist, ab. Inzwischen sind wohl 10 Beamte im Büro und es wird auf Zeit gespielt. Wir machen den Beamten klar, daß wir Touristen sind und nur noch zwei kleine Stempel für die Weiterfahrt in die Ukraine benötigen. Die Herren beraten sich. Alles zurück an Bord, die Seenotpistolen müssen kontrolliert werden. Als nun auch noch die Fabrikationsnummer mit dem Schein übereinstimmt, wird gestempelt. Wahrscheinlich bekommen die Beamten einen Hungerlohn und müssen dazuverdienen.

Endlich um 11.00 Uhr Leinen los. Wind um 3Bf genau von vorne. Feodosia in der Ukraine soll unser nächster Hafen sein. Unser Navigator zeigt 180 sm an. Mit Motor und Hansenrig wollen wir erst mal Meilen machen. 14.00 Philomela hat Schwierigkeiten mit dem Kühlwasser. Eine Plastiktüte war die Ursache. 19.00 Lilofee hat etwas in die Schraube bekommen. Der Motor muß abgestellt werden. Bei uns auf der Lilofee geht´s unter Segel hoch am Wind in die Nacht hinein. Alle zwei Stunden meldet sich Philo über UKW. Wir kreuzen die Nacht durch. Der Wind immer konstant um 4 Bf. Genau auf den Kopf. Bis es hell wird stehe ich am Ruder. Die neue Rollgenoa war ein drittel gerefft und Lilofee machte immer 5,5 Knoten. Um 6.00 ist es hell und die Selbsteuteranlage wird eingesetzt und muß viel leisten. Ulla hält sich gut, macht Schnitten und kocht Tee. Mir geht es nicht so gut. Eine Mischung aus Seekrankheit und Stress. Mangel an Schlaf kommt noch hinzu. Um 14.00 gibt es Kornflecks mit Milch. Schmeckt gut und mir geht´s schon besser. Der Wind läßt um 18.00 bis auf 6 - 7 kn nach. Zum Segeln zu wenig. Ich überlege zu tauchen. Das Meer hat aber immer noch große Wellen. Mit dem Bootshaken gelingt es mir, einen Plastiksack aus der Schraube zu drehen. Ulla hält mich an den Beinen fest. Welch ein Glück, der gute Yanmar läuft wieder. So tuckern wir in die Nacht hinein. Immer noch hoch am Wind mit Großsegel. Gehen unsere Wachen und lösen uns alle zwei Stunden ab. Als Belohnung darf der, der von der Wache kommt, in die warme Koje kriechen. In dieser Nacht sahen Ulla und ich wohl den schönsten Sternenhimmel. Der Wind natürlich aus Nord frischt manchmal auf 20 kn auf. Wasser kommt über den Bug und läuft in meine Koje. Lilofee hält sich prima und leistet Schwerstarbeit. Um 11.00 nehmen wir Kontakt mit Philo auf. Sie waren schon um 6.00 in Feodosia und haben schon einklariert. Um 14.00 treffen auch wir in dem riesigen Handels- und Kriegshafen ein. Auch wir müssen sofort einklarieren. Eine Flut von Formalitäten kommt da auf uns zu. Außerdem wird das Schiff durchsucht. Endlich nach zwei Stunden Bürokratie können wir unser Schiff verlegen. Zunächst an die Militärpier, dann auf Anker, dann wieder zur Militärpier. Es gibt keinen besseren Liegeplatz. 19.00, wir sind müde und Ulla liegt schon in der Koje, kommt da noch mal ein Behördenboot und will noch mal alles kontrollieren. Der Mann von Port Control will Papiere und die Ausrüstung sehen. Ob das Schiff auch in einem guten Zustand ist, will er wissen. Er gibt mir einen Tip, sich überall mal eben kurz über UKW zu melden, damit man immer weiß, wo wir gerade sind und wo wir hinwollen. Das ist doch nur zum Vorteil für uns und Euch. Wir legen uns in die Koje und wollen nur noch schlafen.

12. Juli 2001 Fedorosia Hafentag

Mit den Wachleuten an der verfallenen Pier haben wir sofort Kontakt. Wir tauschen Cola gegen Piso. Der Kriegshafen ist gesperrt und liegt voller Schiffswracks, teils gesunken. Zusammen mit Philos Besatzung und Bordhund Amigo machen wir einen Landgang. Feodosia mit den vielen Kurgästen ist wohl eine Urlaubstadt geworden. Das Geld kann man in Wechselbüros vor jeder öffentlichen Einrichtung tauschen. Für 100.- Dm gibt es 235.- Grifna. Man bekommt nicht alles, kann sich aber dennoch gut ausrüsten. In einem Lokal bezahlen wir für zwei große Bier, 2 Fruchtsäften und Mineralwasser 9.- Grifna. Das sind umgerechnet 4.- DM. Fleisch, Brot und Wurst, alle Grundnahrungsmittel sind gut und günstig. Zurück an Bord kommt da noch ein Marinesoldat mit seinen goldenen Knöpfen. Wir sollen für unseren Liegeplatz 20 Dollar bezahlen und unsere Nationale herunternehmen. Wenn wir nicht bezahlen, muß er uns leider wegschicken. Befehl von oben - korruptes Miltär -, wir zahlen.

13. Juli 2001 Feodosia - Sudak

An einem Freitag, und dazu den 13. Sollte man keine Behördengänge machen. Wieder waren es die Zollformalitäten. Das Schiff muß zunächst eingeführt werden, bevor es in den nächsten Hafen weitergeht. Wir bekommen eine Liste, welche Häfen wir bis Sewastopol anlaufen dürfen. Kostenaufwand 73 Dollar. Über die langwierigen und teueren Formalitäten haben Philo und ich gemeckert. Als Wiedergutmachung erhielt jedes Schiff eine Plastiktüte. Inhalt: 3 Flaschen Wein, 1 Flasche Wodka, 1 T-Shirt und einen Kasten Pralinen. Nun endlich die Leinen los und um das Kap in die geschützte Bucht von Sudak. Von See aus sieht man schon die vielen Weinstöcke. Aus dieser Gegend kommt auch der rote Krim Sekt. Ganz unter Land suchen wir uns einen Liegeplatz mit wenig Schwell. Mit dem Schlauchboot an Land und schon ist die Polizei da. Wir sollen uns bei der Ankunft und Weiterfahrt auf K 16 melden, auch in den Buchten. Nur wegen der Sicherheit. An der Beach essen wir Schnitzel mit Pommes und Salat. Dazu den guten Rotwein. Auch hier haben die Römer Steine bewegt. Eine Genuesische Festung ganz in der Nähe besuchen wir noch. Bevor es mit dem letzten Büchsenlicht an Bord geht, noch schnell ein paar Flaschen Wein bei den einheimischen Weinbauern gekauft. Es ist der selbstgekelterte Wein für den Eigenbedarf, abgefüllt in 2 Liter Wasserflaschen. Jede Flasche wird probiert. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.

19. Juli 2001 Artek, Hafentag

Der Hafen Artek gefällt uns gut. Hier wollen wir ein paar Tage bleiben. Der Hafenmeister freut sich über die deutschen Gäste. Der Preis ist auch niedrig. 10 Grifna mit Strom und Wasser kostet der Liegeplatz pro Tag. Das sind weniger als 5.- DM. Artek ist ein Hafen ohne jede Anbindung. Man bekommt hier nichts. Der nächste Ort heißt Gursow und ist 3 km entfernt. Nach Deckschrubben und Wasserübernahme gehen Ulla und ich zu Fuß in den Ort. Gewitter liegt in der Luft und es hat sich abgekühlt. Zu Mittag probieren wir einen Fleischspieß mit Reis und Zwiebeln. Schmeckt sehr gut. Im Leninpark machen Ulla und ich es uns gemütlich. Wir liegen Kopf an Kopf, die Beine natürlich auf dem Boden. Kommt da ein Aufseher in Uniform. Wir müssen uns hinsetzen. Ulla fotografiert mich neben Lenin. Da sitze ich nun neben dem Rattenfänger. Ich glaube, er verstünde die Welt nicht mehr. Der Kommunismus hat sich überlebt.

22. Juli 2001 Artek, Hafentag

Heute am Sonntag haben wir vier mit Amigo eine Taxe bestellt. Ein Amerikaner, der auf einer ukrainischen Motoryacht als Kapitän fährt, gab uns den Tip. Der Taxifahrer hat auch ein Boot in der Artek-Marina. Leider haben wir ein wenig Pech und müssen warten. Ein Staatsoberhaupt aus China ist in Yalta zu Besuch und macht die gleiche Rundtour. Den weißen Palast von Lidawia, wo 1945 der Yaltaer Vertrag mit Churchill, Stalin und Roosevelt unterschrieben wurde, konnten wir besuchen. Sehr beeindruckend, hier wurde Weltgeschichte geschrieben. Zu Mittag ging es auf die Yaltaer Promenade. Man glaubt es kaum, auch hier hat sich schon ein Laden von Mc Donald angesiedelt. Wir essen lieber in einem ehrwürdigen Restaurant mit Ober und Schwalbenschwanz Borschtsch Suppe und Teigtaschen. Das Schwalbennest, ein Geschenk eines verliebten Deutschen an seine Geliebte oben auf einer Klippe wird zum Ereignis. Neuschwanstein im Miniformat, so steht es im Polyglott. Auf der Rückfahrt steuern wir einen Supermarkt an und laden den Wagen voll Proviant. Der Taxifahrer bekommt für 7 Stunden und 100 km Fahrt 150 Grifna. Das sind für jeden 37.- DM. Wir haben einen schönen Tag gehabt, und viel gesehen. Gegen abend zieht es mich noch mal auf die Mole um den Sonnenuntergang zu sehen. Ich springe von einem Stein auf die Mole zurück und da ist es passiert. Ein Schmerz in der rechten Leiste mit vielen Folgen.

24. Juli 2001 Balaklawa

Den hilfsbereiten Hafenmeister von Artek hatten wir schon informiert. Um 9.00 Uhr sollten Philo und ich vorbeikommen und bezahlen. 4 Nächte waren wir hier. Mit Strom und Wasser macht das 65 Grifna. Das sind 8.- DM pro Nacht. Die Formalitäten sind nicht aufwendig. Ein Beamter gibt uns die Crewliste zurück. Das ist alles. Die Küste an Yalta, ganz nah am Schwalbennest vorbei. Das kleine Schloß oben auf der Klippe sieht wirklich gewagt aus- Der südlichste Punkt auf der Krim- Halbinsel ist noch militärisch. Wir umfahren ein Sperrgebiet und sehen auch die Villa, in der Gorbatschow festgehalten wurde. Von dort waren es noch 36 sm bis Balaklawa. B. war militärisches Sperrgebiet und ist nicht in der Seekarte eingezeichnet. Von See aus völlig versteckt ein Natur-Fjord. Unser GPS führt uns dennoch in den versteckten Militärhafen. Uns kommt auch gleich ein Militärboot entgegen, rammt Philomena und will uns sofort nach Sewastopol weiterschicken. Wir haben aber gültige Papiere für Balaklawa und werden recht nett im Yachtclub aufgenommen. Hier brauchen wir nur die Bootspapiere der netten Hafenmeisterin vorzeigen. Sie heißt Mascha. B. war mal ein Kriegshafen mit einer riesigen Bunkeranlage. Für 7 U-Boote ist Platz in den Stollen. Hier konnten sie repariert und ausgerüstet werden. Dimitri, 15 Jahre, ein pfiffiger Ukrainer, und Anna zeigten uns die Bunkeranlage. Anna ist Lehrerin und jobbte in den Ferien auf einem Charter-Schiff. Mit Taschenlampen bewaffnet ging es durch ein Labyrinth. Unterkünfte, Küche, Schlafstellen, Torpedos und Lüfter konnte man noch erkennen. Alles ist ausgebaut und von den Leuten demontiert worden. Es hatte auch mal in den Schächten gebrannt. Überall Ruß und es roch stark nach Chemie. Im Stollen trafen wir noch ein paar Freunde von Anna. Sie tauchten in den gefluteten Schächten nach Schätzen. Ein Stollen ist zugemauert. Was sich dahinter verbirgt, ist geheim. Nach 2 Std. waren wir wieder am Tageslicht. Ulla hatte die ganze Zeit in dem dunklen Stollen ihre Sonnenbrille aufgehabt und sich gewundert, weil es so dunkel war.

Der Bruch tut mir weh. Ich muß ihn immer wieder hineindrücken. Nur wenige km entfernt ist ein Krankenhaus. Anna und Hans-Werner von der Philomena begleiten mich. Der Arzt stellt seine Diagnose und meint, es müsse sofort operiert werden. Ich habe Angst. Nicht in diesem Krankenhaus! Ich denke an den Arzt von Stalingrad.

27. Juli 2001 Balaklawa Quarantänebucht

Um 10.00 verabschieden wir uns von unseren Freunden in Balaklawa. Es sind nette und hilfsbereite Segler. Das Liegegeld beträgt pro Schiff und Nacht 5 Dollar. Wir wünschen den Leuten für die Zukunft alles Gute. Das Militär hatte vor 10 Jahren noch das Sagen. Jetzt stehen sie in Konkurrenz zum Tourismus. Dollars und DM sind wichtiger als Macht.

Gegen Mittag laufen wir die Quarantänebucht 10 sm vor Sewastopol an. Von weitem sehen wir schon eine griechische Kirche. Gleich dahinter ist auch die Einfahrt. Wieder vollgestopft mit Militärschiffen. An einem Privatanleger ist noch Platz. Man will uns vertreiben, aber mit einer Schachtel Marlboro können wir den Wachmann überreden. Bis morgen früh um 6.00 dürfen wir bleiben, Man erwartet Präsident Putin aus Rußland. ( Wenn das man stimmt? ) Nach der Mittagspause schwimmen wir noch ein paar Runden ums Schiff und besichtigen dann die griechischen Anlagen aus dem Altertum- Sogar das Fernsehen ist hier und filmt die Säulen. In der Nacht entscheide ich dann, die 300 sm bis Istanbul mit Ulla non stop durchzusegeln. Ich muß unbedingt ins Krankenhaus.

28. Juli 2001 Sewastopol

Das war eine kurze und schlaflose Nacht. Gehe gleich zu Philomena und berichte, daß Ulla und ich die Reise abbrechen wollen. Nicht so wie geplant über Rumänien und Bulgarien. Philomena soll die geplante Route weitersegeln. Wir treffen in 3 Wochen wieder zusammen in der Atakö-Marina bei Istanbul. Philomena überläßt uns noch 30 l Diesel in Kanistern für den langen Törn. Nun laufen wir aber zunächst nach Sewastopol zum ausklarieren. Man jagt uns von Anlegestelle zu Anlegestelle, in die hinterste Hafenecke. Putin ist tatsächlich in Sewastopol und die beiden kleinen Segelschiffe aus Deutschland sind Nebensache. Endlich um 13.00 wagen wir uns zu Fuß nochmals zum Ausklarierungsgebäude. Herr Putin ist weg, wir können kommen. Riesiger Schwell im Hafen macht das Anlegen zum Alptraum. Sechs Uniformierte mit großen Stiefeln an Bord. Papiere und Crewlsiten wandern hin und her. Die Beamten haben Durst. Ulla ist von Bord gegangen und muß sich Luft machen. Um 14.00 endlich alles klar. Wir können die Ukraine verlassen. Tschüs Birgit, Hans-Werner und Amigo von der Philomena. Wir sehen uns in Istanbul. Hoch am Wind mit Motor und Groß. Wir haben es eilig. Der GPS zeigt 302 Seemeilen an.

29. Juli 2001 auf See

In der Nacht lösen Ulla und ich uns alle 2 Std ab. Der Mond begleitet uns bis 3.00 und geht dann unter. Die Nacht ist warm und trocken. Wir haben uns lange Hosen angezogen und über die Arme ein Fließ. Der Autopilot tut gute Dienste. Es ist kein Verkehr auf dem Schwarzen Meer. Die ganze Nacht kein Schiff. An die Wellen muß man sich allerdings gewöhnen. Sie sind wesentlich größer als in der Nordsee. Das hängt wahrscheinlich mit der Wassertiefe ( 2000 m ) zusammen. Um 8.00 Frühstück im Cockpit mit Kaffee, Brot und Kornflecks. Dann besucht uns eine Gruppe Delfine. Es werden immer mehr. So begleiten uns bestimmt 50 Delfine. Vor dem Bug zeigen sie ihre Kunststücke. Schwimmen auch seitlich und schauen uns dabei in die Augen. Zu Mittag gibt es Bratkartoffeln mit Dosenfisch aus Cuxhaven. Um 14.00 haben wir ein Etmal von 130 sm. Nicht schlecht, außerdem haben wir immer einen Strom von 0,5 – 1 kn mit uns. Ohne Probleme geht es in die 2. Nacht. Nur 4 große Schiffe sehen wir gegen Morgen. 5.30 wird es hell und die Sonne geht auf. Wind immer noch aus nördlicher Richtung. Wird der Wind einmal weniger, ( unter 10 kn ) muß ich das Großsegel wegnehmen. Das Segel knallt dann wegen der großen Wellen hin und her, auch mit Bullstander. Wir fahren dann lieber mit Rollgenua und Motor. Gegen 16.00 sehen wir vermehrt Schiffe. Es kommt Land in Sicht und dann der Bosporus. Nun müssen wir das Trennungsgebiet kreuzen und steuern um 19.00 den Hafen Poyratz an. Weiter wollen wir heute nicht. Bis Istanbul sind es noch ca. 20 sm. Das machen wir lieber bei Tageslicht. Wir finden in Poyratz einen schönen Platz, längsseits Hafenmole. Duschen uns mit dem Duschsack und gehen in ein Restaurant. Es gibt die schönen Vorspeisen und Köfte. Dazu ein kaltes Efes - Bier.

31. Juli Poyratz - Istanbul

Schön das wir im Bosporus sind. Der Wind hat in der Nacht zugenommen. Noch immer aus Nord, aber über 20 kn. Eine dicke Sandschicht liegt auf dem Schiff. Die Fender sehen schrecklich aus. Mit Pütz und Hafenwasser reinigen wir das Schiff. So können wir nicht in die edle Atakö-Marina Istanbul einlaufen. Nun noch schnell Diesel nachgetankt. Durch´s Trennungsgebiet auf die europäische Seite. Mit Strom und Wind von achtern fliegen wir in 2 Std an Istanbul vorbei in die Marina. Dem entgegenkommenden Schlauchboot mit Hafenpersonal erzähle ich von meinem Leistenbruch und Krankenhaus. Über Funk geht alles ganz schnell. Wir bekommen einen schönen Liegeplatz. Der Hafenmeister in weißer Uniform kommt persönlich zum Schiff. Ich dachte, es wäre der Arzt. Brauchen wir eine Trage? Nein!!

Mit den Papieren sollen wir ins Büro kommen. Dort füllen wir ein neues Transitlog aus. Unsere Pässe müssen wir abgeben. Das Krankenhaus ist informiert und draußen wartet schon ein Taxi. Das ACIBADEM ist ein privates Krankenhaus. Ganz modern werde ich dort endoskopisch operiert.

10. August 2001 Istanbul

Unser Tranistlog ist nicht vollständig. Es fehlen noch 3 Stempel. An der Rezeption der Marina sagte man uns, die Polizei und Zoll wollen uns persönlich sehen. Wahrscheinlich weil unser letzter Hafen Sewastopol in der Ukraine war. Ulla und ich haben alle Unterlagen vom Schiff in den Rucksack gepackt. Mit der Bahn geht es 9 Stationen in die Innenstadt. Endstation ist der berühmte Bahnhof von Agatha Christies Orientexpress. Aus der berühmten Bahnhofshalle hat man ein Restaurant gemacht. Wir trinken dort einen Caffee. Die Polizei und Zoll waren in einem Gebäude nur 2 km vom Bahnhof entfernt. Ohne Schwierigkeiten haben wir noch die fehlenden Stempel bekommen und unser Transitlog hat wieder 3 Monate Gültigkeit. Nun haben wir noch genügend Zeit für Kultur. Über die Brücke am Goldenen Horn in die Altstadt. 15 – 17 Millionen Menschen sollen in dieser Stadt wohnen. Unser 1. Weg geht in die Markthalle. Weltweit der größte Basar mit 4000 Ständen. Danach zur Blauen Moschee. Sie ist bis zum letzten Platz gefüllt mit betenden Moslems. Heute am Freitag ist ihr Feiertag und die nichtgläubigen Touris haben keinen Zutritt. Dann in die Medusa, eine Zisterne mit über 300 Säulen. Schön kalt ist es hier unten. Sie versorgt schon seit viele 100 Jahre die Stadt mit bestem Trinkwasser. Im Archäologischen Museum sehen wir den Sarkophag von Alexander dem Großen. Zwischendurch führt Ulla mich in einen Köfteladen. Ich kann nicht mehr und muß mich noch ein wenig schonen. Laß uns zurück an Bord. Wir kommen wieder.

12. August 2001 Istanbul

Gestern hatten wir einen Ruhetag eingelegt. Waren den ganzen Tag am Pool. Mit der Bahn wollen wir heute noch mal nach Istanbul. 9 Stationen sind es. Die 15 km Fahrt kosten nur 1.- DM Sehr interessant, auch hier im Zug werden Geschäfte gemacht. Von einer langen Schnur werden Bonbons abgeschnitten und stückweise verkauft. Unser Weg führt in die Hagia Sophia. Beim Topkapi steht der Riesenbau der Kirche aus dem 6. Jahrhundert. Mehmet der Eroberer hat das einstige Gotteshaus der Christen in eine Moschee verwandelt. Heute ist es Museum. Das harem im gleichen Komplex gehört zum Herrensitz osmanischer Sultane. Ein verwirrendes Spiel aus Innenhöfen, Treppen und Durchgängen aus 1001 Nacht. Die blaue Moschee ein paar 100m weiter ist schon beeindruckend. Heute dürfen wir auch hinein. Die riesige Kuppel steht innen auf 4 Säulen von midestens5m Durchmesser. Wir sitzen ganz andächtig vor der Balustrade auf dem Teppich und schauen uns eine andere Kultur an. Auf dem Rückweg zum Bahnhof stärken wir uns in einem Tee-Garten. Wir bestellen uns den erfrischenden Cei. Am Nebentisch kreist die Wasserpfeife. Ulla setzt sich mit in die Runde der gastfreundlichen Türken und raucht kräftig mit. Es soll Apfelblüte sein. Um 20.00 sind wir mit runden Füßen wieder an Bord.

14. August 2001 Hafentag in Istanbul

Auch heute viel Wind um 4 - 6 Bf. Haben aber gutes Wetter und machen es uns am Pool gemütlich. Um 15.00 trifft Philomena ein. Von weitem sehen wir schon die Segel. Wir verabreden uns zum Abendessen in einem Lokal. Es gibt viel zu erzählen. Besonders aus Bulgarien und Rumänien, wo Ulla und ich nun leider nicht hingekommen sind. Hier nun in Istanbul, nach 56 abenteuerlichen Tagen im Schwarzen Meer schließt sich der Kreis.

Hans-Werner Strothmann