Helgoland-Edinburgh-Helgoland 1986

Ist zwar schon einige Zeit her - Aber die "Astarea" hält immer noch den Rekord für die schnellste Überfahrt von Helgoland nach Edinburg.

Helgoland-Edinburgh-Helgoland 1986

Autor: Günther Heinsen, Albin Ballad - "ASTAREA" G(ER) 57, 1986.

Jedes Jahr wird im Rahmen der Nordsee-Woche eine Langstreckenregatta am Pfingstmontag gestartet. Ein Jahr geht es von Helgoland über Skagen nach Kiel und das andere Jahr von Helgoland nach Edinburgh in Schottland und zurück. In diesem Jahr war turnusmäßig die Regatta nach Edinburgh an der Reihe. Das besondere an dieser Regatta: es war die zehnte und wurde durch den Veranstalter, die Segler-Vereinigung Cuxhaven, besonders herausgestellt.

Die "Astarea" vor Helgoland

Da sich diese Langstrecke quer durch die Nordsee über fast 14 Tage erstreckt, hatte ich zunächst Mannschaftsprobleme und wollte als "Hand gegen Koje" auf einem anderem Schiff mit einsteigen. Da sich aber zwei meiner Stammbesatzung bereit erklärten mitzuahren, meldete ich auf Verdacht die Edinburgh-Regatta im Rahmen der übrigen Regatten der Nordsee-Woche mit. Mir fehlten noch zwei Mann, die ich jedoch in der letzten Woche vor dem Start noch einfangen konnte. Einen von diesen lernte ich allerdings erst auf Helgoland kennen.

Die Nordsee-Woche verlief zunächst erfolgreich für uns: Zubringer Hamburg-Cuxhaven: Zweiter, Cuxhaven-Helgoland: ebenfalls Zweiter. Bei Helgoland Rund am Sonntag, in der wir als Ballad-Einheitsklasse starteten (6 Boote), hatten wir einen black-out und kamen als Vorletzter ins Ziel. Den Viking-Pokal gewann die Ostsee-Ballad "BELKEDIA" (Peter Helmich).

Zwei Mann von meiner Crew verabschiedeten sich nun anch Hamburg und es kamen, wie schon erwähnt, die beiden neuen hinzu. Der eigentliche Start zur Edinburgh-Regatta erfolgte am Pfingstmontag, den 19.05.1986, von der Mole aus um 13.30 Uhr. Es wurde in zwei Gruppen gestartet, die größeren - darunter der frühere schwedische Zwölfer, die heutige "UWA" - zuerst und dann die kleineren in zehn Minuten Abstand. Insgesamt waren 48 Boote am Start. Das Wetter war sonnig und der Wind wehte aus SW mit zunächst einer Windstärke. Das gesamte Feld bewegte sich langsam um das Hummerschutzgebiet bei Helgoland herum und blieb dann nach 3-4 sm völlig in der Flaute stecken. Die Tide trieb uns mal voraus mal zurück, einige versuchten zu Ankern, was bei über 60m Wassertiefe mit sehr viel Tauwerk verbunden war. Der Blitz von Helgoland zuckte die ganze Nacht am Himmel und wir hatten die Hoffnung aufgegeben, von dieser Insel loszukommen. Die Bahnlänge von Helgoland nach Edinburgh betrug immerhin 400sm. Der Kurs nach Edinburgh lag bei 290°. Endlich kam am nächsten Morgen eine kleine Briese aus SSW durch, wir setzten den Spinnaker und machten gute Fahrt durchs Wasser. Im Laufe des Tages nahm der Wind immer mehr zu, sodass wir doch ein gutes Etmal heraussegelten. Ringsum sahen wir die Spinnaker der anderen Regatta-Teilnehmer deutlich in der Sonne leuchten. Fast alle Boote haben heute elektronische Navigationsgeräte an Bord, die einfach zu handhaben sind und von jedem Besatzungsmitglied bedient werden können. Wir waren fünf Mann an Bord und jeder hatte nach seiner Wache Uhrzeit, Loggestand, Position, Länge und Breite, sowie den Kurs in eine Kladde einzutragen. Die Wacheinteilung war folgende: 2 Stunden Schotwache, 2 Stunden Ruderwache, 6 Stunden frei. Bei Bedarf wurden die freien Leute an Deck geholt.

Der Wetterbericht von Norddeich Radio meldete für den zweiten Tag 6–7 aus SW. Etwa 40 sm vor der Doggerbank hatten wir dann auch schon die sechs Windstärken. Da BBC Coast Radio westliche Winde um sieben mit Sturmböen ankündigte, nahmen viel Boote den südlichen Kurs, um beim Einsetzen des Windes besser anliegen zu können. Da wir diese Wettermeldung nicht gehört hatten, blieben wir auf unserem Kurs von 290° über die Doggerbank.

Die Doggerbank ist eine Meeresbodenerhöhung mitten in der Nordsee von 50 m Tiefe auf 24 m. Sie ist an der Stelle, wo wir sie überquerten, etwa 40 sm breit. Bei Windstärke sieben und mehr bauen sich ungeheure Seen auf, nicht die übliche lange Nordseewelle, sondern kurze, steile 3–4 m hohe Seen mit brechenden Kämmen. Hinzu kommen gewaltige Kreuzseen. Da unser Kurs genau quer zur See stand, hatten wir zunächst Schwierigkeiten, mit der brechenden Welle fertig zu werden. Wir lagen einige Male flach auf dem Wasser und fingen einige Seen ins Cockpit ein.

Die Segel hatten wir inzwischen bis auf die Genua 3 verkleinert. Ohne Großsegel und mit dieser Genua kamen wir sehr gut zurecht – fuhren den Wellenkamm hinauf und fielen dann wieder kurz ab, sodass wir immer gute Fahrt im Schiff behielten. Die Nacht war mondklar und hell, sodass wir die Seen gut aussteuern konnten. Unsere Ballad verhielt sich großartig und wir hatten nie das Gefühl, dass irgendwas zu Bruch gehen konnte. Am meisten machten uns die Nässe und die Kälte zu schaffen. Kochen war praktisch ausgeschlossen. Alle hatten mehr oder weniger mit der Seekrankheit zu kämpfen. Ausfälle waren nicht zu verzeichnen.

Die Ausläufer der Doggerbank hielten uns allerdings auch noch am dritten Tag fest und der Wind nahm eher zu, als dass er nachließ. Wir hatten immer noch volle sieben Windstärken. Am Donnerstag Vormittag, den 22.5.1986 kam dann die schottische Küste in Sicht. Der Wind wehte immer noch aus SW, die anderen, die mit W-Wind gerechnet hatten, waren mindestens 10-12 sm südlicher als wir und hatten damit auch wieder den längeren Weg. Der Wind wurde jedoch am Tage immer spitzer, sodass wir den Bass Rock gerade noch hoch am Wind anliegen konnten. Neben und hinter uns bemerkten wir plötzlich größere Yachten und konnten uns ausrechnen, dass wir doch nicht ganz so schlecht liegen mussten. Den Bass Rock erreichten wir abends gegen 20.30 Uhr und hatten von dort aus noch etwa 20 sm bis zum Ziel. Die Strecke schafften wir in einem Schlag, wobei zwei neben uns liegende, größere Yachten noch zwei Schläge einlegen mussten. Wir hatten inzwischen wieder ausgerefft und die Genua I gesetzt. Der Wind hatte etwas nachgelassen und lag bei 5 Windstärken. Das Ziel in Granten erreichten wir am Freitag 0.35 Uhr deutscher Sommerzeit. Mit uns liefen ”Christa” und die ”Savoir Vivre” durchs Ziel. Wir machten neben der ”Sancho Pansa” fest und hörten, dass aus unserer Gruppe noch kein Schiff angekommen sei. Im Laufe der Nacht und des nächsten Tages kamen so nach und nach die Regatta-Teilnehmer an. Einige sind schon bei der ersten Flaute in Helgoland umgekehrt, andere noch kurz vor der Doggerbank.

Die ”UWA” kam als 2. Schiff ins Ziel. Sie hatte zwei Verletzte an Bord, die sofort ins Krankenhaus gebracht wurden. Die übrige Besatzung flog nach Hause. Der Freitag verlief mit Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten an Bord. Sonnabend unternahmen wir eine Busfahrt durch die Highlands, am Loch Lomond vorbei bis zur Atlantikküste. Am Sonnabend Abend veranstaltete der Royal Forth Yacht Club im neuen Clubhaus eine ”German Night”. Nach offiziellen Reden und Austausch von Gastgeschenken wurde das Ergebnis der Hinfahrt bekannt gegeben. Danach siegte die ”Astarea” nach berechneter Zeit über alles und hat als erstes Schiff seit Bestehen der Edinburgh-Regatta die Dreitagesmarke mit 4 ’ Minuten unterschritten. Mit schottischer und deutscher Folklore (Musik und Liedern) klang der Abend feuchtfröhlich aus.

Der Wind blieb uns auch im Hafen treu. Es pustete aus W–SW aus allen Knopflöchern. Der englische Zollbeamte sagte uns jedoch, der Sturm würde nach 3 Tagen aufhören.

Der Rückstart war für Montag Nachmittag, den 26.5. mit Hochwasser 17.00 Uhr angesetzt. Der Wind hatte immer noch nicht nachgelassen und es wehte nach wie vor aus W bis SW um 7, in Böen bis 8. Und dazu noch Regenschauer. Es lag ein Höhentief über den Shetlands und die Meteorologen konnten nicht voraussagen, wie sich dieses Höhentief entwickeln würde. Eine Stunde vor dem Start wurde noch kurzfristig eine Steuermannsbesprechung auf der Pier einberufen, um zu klären, ob gestartet werden sollte oder nicht. Da unser Generalkurs nach Helgoland etwa 110° betrug und der Wind fast von achtern wehte, wurde von der Mehrheit beschlossen, um 17.30 Uhr zu starten. Ein Teil der Yachten entschloss sich, besseres Wetter abzuwarten und nicht zu starten. Wir blieben schließlich mit 16 Booten über. Mit kleinsten Segeln, 2 mal gerefftem Groß und Genua 4, starteten wir im Firth of Forth in Richtung Bass Rock. Die Fahrt ging flott und ohne Probleme. In der Nacht flaute der Wind sogar etwas ab, sodass wir die Genua I und volles Groß setzen konnten. Am nächsten Tag jedoch nahm der Wind wieder erheblich zu und erreichte Starkwind um 7 Beaufort. Die Wetterberichte von Norddeich und BBC verhießen nichts Gutes, sie sagten Sturmwarnung voraus mit Windstärken um 8-9. Da wir schon 60–100 sm von der Küste entfernt waren, war an eine Umkehr nicht mehr zudenken, zumal wir die ganze Strecke hätten aufkreuzen müssen. Wohl oder übel mussten wir weiter in Richtung Helgoland. Im Verlauf des Tages erreichte der Wind dann Sturmstärke und die Wellenhöhe stieg damit enorm an. Wir hatten die Doggerbank noch nicht erreicht und überlegten uns nach Norden abzulaufen, um die Doggerbank zu umgehen. Wir machten jedoch die Erfahrung, dass mit Genua 4 ein Anfahren der Welle und Abfallen nach Durchzug uns besser voranbrachte, als vor dem Wind zu laufen. Wir blieben bei dieser Methode. Durch unseren Navigator stellten wir fest, dass wir gegenüber unserem Generalkurs noch an Höhe gewannen. Zu schaffen machten uns vor allem die Sturmböen, die in das Schiff hineinfetzten, sodass man kaum Luft holen konnte. Das Wasser stand teilweise waagerecht in der Luft. Wir waren schon glücklich, wenn es nur mit 8 Beaufort wehte. Aber alles geht einmal zu Ende und nach etwa 10 Stunden Sturm ließ der Wind nach, sodass wir nach überstandener Nacht mit 6–7 Windstärken die Doggerbank erreichten. Zum Glück war die See auch zurückgegangen. Wir hatten keine Schwierigkeiten, die berüchtigte Doggerbank zu überqueren. Wir konnten dann auch schon den Sturmspinnaker setzen und auch wieder etwas warmes Essen machen. Die Weiterreise verlief ohne Probleme unter Spinnaker bis nach Helgoland. In Helgoland kamen wir innerhalb von 5 Minuten mit drei Schiffen durchs Ziel und erreichten dort den 2. Platz in unserer Gruppe.

Günter Heinsen (rechts) mit seiner erfolgreichen Crew

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir keine Mannschaftsprobleme und erst recht keine Probleme mit dem Schiff hatten. Die Ballad ist nun mal ein Schwerwetterschiff und hat ein großartiges Seeverhalten. Man kann damit unbeschadet jedes Wetter überstehen.

G. Heinsen schrieb diesen Bericht seinerzeit für das Mitteilungsblatt der Ballad-Klassenvereinigung